Stammheim Historie
In vorgeschichtlicher Zeit war die gesamte Fläche Stammheims von einem dichten Netz kleiner Bachläufe überzogen, die alle zum Einzugsgebiet des Feuerbaches gehörten. Die Stammheimer Markung ist mit wenigen Ausnahmen von einer mächtigen Löss-Schicht bedeckt. Das bedeutet, dass Stammheim in einer außerordentlich siedlungsgünstigen Landschaft liegt, die mit großer Wahrscheinlichkeit kontinuierlich besiedelt war.
Es gibt Fundstellen von Siedlungen aus der mittleren und der Jungsteinzeit. Um 3000 v. Chr. wohnten Zeitgenossen des Gletschermannes Ötzi in Sieben Morgen und Stammheim Süd. Zur Keltenzeit um 500 v. Christus kamen die Römer (Funde von zwei römischen Gutshöfen in den Gewannen Emerholz und Bildäcker), die um 260 n. Chr. von den Alamannen vertrieben wurden. Der Kern des alamannischen Dorfes lag wohl in der Nähe des heutigen Schlosses. Funde sind vom Stammheimer Friedhof bekannt, die darauf schließen lassen, dass dort im Gewann Bildacker ein Reihengräberfeld aus dem 6. und 7. Jahrhundert nach Christus liegt.
Die Endung „-heim“ deutet darauf hin, dass Stammheim seinen Ortsnamen erst nach 700, unter der Frankenherrschaft, erhalten hat. Soweit bekannt, war Stammheim bis um das Jahr 1120 im Besitz des Grafen von Calw und kam dann über die Welfen an die Pfalzgrafen von Tübingen.
Die geschichtliche Entwicklung ist eng mit den Herrn von Stammheim verbunden, einem Adelsgeschlecht aus Berg bei Cannstatt. Die erste umstrittene Erwähnung derer von Stammheim stammt vom 20. Juni 1192. Die in Gmünd ausgestellte Urkunde Kaiser Heinrichs VI. bestätigt die Verleihung einer Mühle zu Münster am Neckar an Dietrich von Stammheim. Als Folge des Verfalls des Geschlechts der Grafen von Tübingen kam der Glensgau, zu dem Stammheim gehörte, 1308 durch Kauf an Graf Eberhard von Württemberg. Für seine Verdienste wurde Konrad II. von Stammheim mit „halb Burg und Dorf Stammheim, einem Hof zu Hegnach und Weinbergen und Gütern zu Fellbach belehnt.“ Viele Familienmitglieder derer von Stammheim waren im Kriegshandwerk als Offiziere vertreten oder hatten andere hohe Stellungen inne.
Einen bunten Vogel gab es um 1230: Einen Minnesänger! Ein Lied von ihm ist in der Manessischen Liederlandschaft (Universitätsbibliothek Heidelberg) aufgezeichnet. 1588 starb das Geschlecht der Ritter von Stammheim aus. Der letzte Namensträger, Hans Wolf von Stammheim, ließ 1579 bis 1581 an Stelle seiner alten, um etwa 1100 erbauten Wasserburg durch Heinrich Schickhardt (1558-1634) als dessen Erstlingswerk – das heute noch erhaltene Stammheimer Schloß – als ein dreiflügliges, nach Osten geöffnetes Gebäude, mit einem Wendeltreppenturm im Hof, bauen. Das Schloss ist nach dem Alten Schloss das älteste in Stuttgart. Heute ist darin ein Altenheim untergebracht.
1595 traten die Schertlin von Burtenbach das Erbe derer von Stammheim an. Der Niedergang dieses Geschlechts und ebenso dieses Dorfes war sicherlich auch durch den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) verschuldet.
1737 wurde Stammheim von den Schertlin von Burtenbach an das Herzogtum Württemberg verkauft. Der Ort wurde zur Kammerschreiberei - (Hofkammer-) Gut geschlagen und bildete mit Zazenhausen und dem neuen Wirtshaus das Stabsamt Stammheim. Zwischen 1740 und 1814 hatte die Gemeinde viel unter Einquartierung und Durchzügen fremder Truppen zu leiden. Die Folge der Kriege und des Hungers waren schließlich Verarmung und Auswanderung.
Die rasche Industriealisierung der umliegenden Orte ließ Stammheim gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Arbeiterwohngemeinde heranwachsen. Am 1. April 1942 wurde Stammheim nach Stuttgart eingemeindet. Im Jahr 2020 hatte der Stadtbezirk rund 12500 Einwohner und wächst durch ein zusätzliches Neubaugebiet weiter.
Text: Rainer Böhm, Alt Bezirksvorsteher Stuttgart-Stammheim